Wie Dauerstress unser Immunsystem schwächt
Unser leistungsorientiertes modernes Leben wird überwiegend vom Sympathikus und nur selten vom Parasympathikus gesteuert. Normalerweise nehmen wir uns zu wenig Zeit für erquickende Erholungspausen, sondern versuchen – ganz im Gegenteil – sogar noch mit allerlei Tricks und Substanzen wie Koffein und Nikotin, den Sympathikus-Tonus hoch zu halten, obwohl unser Körper uns ganz klar signalisiert, dass er eine Pause braucht.
Zusätzlich zum Berufsstress treiben auch stressende Alltagssituationen und Gedanken, die in uns negative Gefühle wie Ärger oder gar Angst auslösen, den Stresslevel weiter nach oben.1 Je intensiver und häufiger solche Stressauslöser (Stressoren) auftreten, desto schädlicher sind sie für Körper und Geist (kumulativ schädigender Effekt).2
Wir bleiben auf der Erregung sitzen
Anders als unsere Urahnen, die sich normalerweise durch Kampf oder Flucht retteten und dabei die mobilisierte Energie und die Stresshormone abbauten, haben wir heutzutage selten die Möglichkeit, diese zeitnah in eine körperliche Aktivität zu leiten. So kommt es, dass wir nach einem stressigen Tag ohne Bewegungs- und Entspannungsphasen lange brauchen, um zur Ruhe zu kommen und den Parasympathikus zu aktivieren, obwohl wir uns erschöpft fühlen. Wir greifen dann häufig zu Alkohol oder Beruhigungspillen, mit denen wir unsere Unruhe jedoch lediglich „betäuben“ können. Die parasympathische Entspannungsreaktion kommt so nicht in Gang und der Stresspegel bleibt weiter hoch. Letztlich landen wir im Dauerstress und werden krank.
Unsere Urahnen als Vorbild – Stressabbau durch Bewegung
Gelegenheiten zu körperlicher Aktivität lassen sich auch in unseren modernen Alltag einbauen: z.B. können wir forciert Treppensteigen statt Fahrstuhlfahren, in einer Kurzpause ein Tänzchen hinlegen, in der Mittagspause beschwingt spazieren gehen oder das Fahrrad statt des Autos nehmen.
Noch besser zum Abbau von Anspannung und Stresshormonen ist übrigens Sport – schon moderates Work Out wirkt Wunder! Wenn Sie sich dreimal pro Woche 30 Minuten Zeit für leichten Sport nehmen, ernten Sie außerdem: positive Emotionen, eine bessere Haltung, ein optimales Atemmuster und Sie kurbeln Ihr Immunsystem an. Wichtig für diesen positiven Effekt ist, dass Sie sich regelmäßig bewegen.3
Was kurzfristig der körperlichen Aktivierung dient, schwächt auf Dauer unser Immunsystem
Wird der Sympathikus-Tonus über Tage und Wochen hochgehalten, dann wird dadurch anhaltend die Lymphozyten-Produktion gedrosselt und der Cortisol-Spiegel erhöht (Hypercortisolismus): Beides schwächt das Immunsystem, weil weniger frische B-Zellen, T-Zellen und natürliche Killerzellen gebildet werden bzw. weil die Entzündungskraft gehemmt wird und – wenn alle anderen Körperreserven durch die Dauerstresssituation aufgebraucht sind – sogar Immunzellen abgebaut werden.
Auch unser Selbstheilungsnerv wird schwächer
Erkältungsviren haben leichtes Spiel
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass gestresste Menschen zu erhöhter Infektanfälligkeit neigen und unter höherer Viruslast und stärkeren Symptomen leiden. Zudem brauchen sie oftmals deutlich länger, bis sie wieder gesund sind, als weniger gestresste Menschen.4
Eine zu seltene Aktivierung unseres Selbstheilungsnervs schädigt jedoch nicht nur unser Immunsystem sondern führt auch dazu, dass er selbst schwächer und zunehmend schwerer aktivierbar wird – eine Abwärtsspirale kommt in Gang.
Quellenangaben
- Almeida, David M.: Resilience and Vulnerability to Daily Stressors Assessed via Diary Methods,
in: Current directions in Psychological Science 14, 2005, S. 64-68. - DeLongis, Anita/Folkman, Susan/Lazarus, Richard S.: The impact of daily stress on health and mood: Psychological and social resources as mediators., in: Journal of Personality and Social Psychology 54, 1988, S. 486-495.
- Reed, Justy/Ones Deniz S.: The effect of acute aerobic exercise on positive activated affect: A meta analysis, in: Psychology of Sport and Exercise 7(5), 2006, S. 477 – 514.
- Cohen, Sheldon/Frank, Ellen/Doyle William J. et al.: Types of stressors that increase susceptibility of the common cold in healthy adults, in: Health Psychology 17(2), 1998, S. 214-223.